Resümee zur Buchvorstellung von Prof. Dr. Albrecht Hempel am 08.12.2019 im Prana-Zentrum Dresden

“Gesundheit ist auch Gefühlssache”

Ich bin durch Zufall zu dieser Buchvorstellung gekommen. Manchmal ist das so im Leben. Da ergibt sich eins und daraus das nächste, und am Ende schließt sich der Kreis und alles hat seinen Sinn. 

Für mich in meiner Ausbildung zur holistischen Gesundheitsberaterin ist das ein sehr spannendes Thema und kommt auch nicht von ungefähr, da ich mich seit ein paar Wochen mit Stechen in der linken Brust plage und versuche, es zu verdrängen, so gut es geht. Ich (wie viele andere auch) funktioniere momentan im Kreislauf des alltäglichen Lebens. Doch gönn ich mir Ausstellungen, Konzerte, Kino und Lesungen, Treffen mit Freunden, die für mich zu einem erfüllten Leben gehören, wie die Luft zum Atmen.

Dass, nur zu funktionieren nicht gesund ist, wurde mir auf der Buchvorstellung wieder klar. Bewusst ist es mir allemal. Nur, wer kann kurz vor Weihnachten krank sein? Selbst da stellt sich doch sofort das schlechte Gewissen ein. 

Die große Frage ist, wie durchbreche ich diesen Kreis, außer mir in meiner wenigen Freizeit schöne Momente bei meditativem Kochen, Lesen, Musik hören etc. zu bereiten? Ich werde diese Woche mit Qi Gong beginnen, nachdem Tai Chi etwas unglücklich pausieren muss. Aber das findet sich wieder im neuen Jahr. Momentan ist dies nicht mein Weg. Wenn einem etwas Energie raubt, ist es das/der falsche. Das habe ich inzwischen gelernt.

Vieles, was mir gestern von Prof. Hempel vor Augen geführt und bestätigt wurde. Es hilft uns nicht, Symptome, die durch dauerhaft unschöne Gefühle verursacht werden, auszuhalten. Denn genau diese lassen uns irgendwann erkranken. Hier muss ich an einige Bekannte und gute Freunde denken. Doch auch hier gilt, was ich frei nach Paracelsus als Naturgesetz formulieren möchte: Die Dosis macht das Gift! 

Über Monate, gar Jahre hinweg, ertragen manche Menschen giftige Umstände und erkranken im Laufe ihres Lebens daran. Anfangs sind es “nur” kleine Anzeichen, wie eine Erkältung oder Grippe, Rückenschmerzen oder anderes. Der Körper rebelliert, weil er genug erleiden musste und dies einfach nicht mehr schafft. Oft werden diese Symptome ignoriert als Ursache eines größeren, ganzheitlichen Problems.

Wenn ich den Körper als Einheit betrachte, kann ich nicht nur die Ernährung, den Schlaf, die Bewegung betrachten, sondern muss auch den Gefühlszustand einbeziehen. Welche schönen oder dramatischen Ereignisse haben mich beeinflusst oder beeinflussen mich derzeit? Bei mir weiß ich, dass mich Trennungen, das Krebs-Rezidiv meiner Ma 2004, kurz nach der Geburt meiner jüngsten Tochter, ihr plötzlicher Tod 2006, der Tod meiner sehr betagten 96jährigen Großmutter väterlicherseits ein paar Tage Weihnachten 2004 (die ich allerdings seit 30 Jahren nicht mehr gesehen hatte) und das Ableben meines Vaters 2007, sehr mitgenommen haben. Ich hatte die Wohnungen meiner Mutter und meines Vaters aufzulösen, unsägliche Behördengänge, Ärger mit ihrem empathielosen Vermieter, Anwaltsgespräche, Wohnungsberäumgen etc., abgesehen von den Emotionen.

In all den Jahren musste ich mehr oder weniger funktionieren, vor allem für meine Kinder. Die Worte meiner Ma im Krankenhaus kurz vor ihrer Entlassung an meinem 36. Geburtstag waren: “Sorge dich nicht um mich, du brauchst die Kraft für deine Kinder!” Irgendwie meinte sie wohl, dass es Zeit war los zu lassen. Denn, wenn alles zu spät ist, hilft nur noch die Erlösung.

Gott sei Dank konnten wir über alles reden, auch über den Tod und die Beerdigung im Familiengrab im Urnenhain Tolkewitz. „Da ist auch noch für dich Platz.“, höre ich meine Ma sagen und „Tragt bloß kein Schwarz!“. Sie wollte nur die engsten Familienmitglieder. Sie war sehr beliebt und bestimmt wären ganz viele ihrer ehemaligen Kolleginnen aus der Palucca Schule gekommen, das weiß ich. Doch sie wollte es nicht, denn es hätte den Rahmen des Erträglichen gesprengt. Sie hat wieder einmal mehr an ihre Familie gedacht.

Dennoch, erst jetzt nach 13 Jahren, kann ich ohne überwältigende Emotionen darüber schreiben. Ich habe gelernt nach all der Trauer, dass es für sie die beste Lösung war, zu gehen, denn sie wurde erlöst. Jeder, der an einem Menschen festhält, der bereit ist zu sterben, sollte ihn gehen lassen und nicht aus purem Egoismus, weil er allein zurück bleibt, festhalten. Verabschieden und in Frieden los- und gehen lassen, sind wesentlich besser, als ein krampfhaftes an sich binden. Es hat etwas von fesseln, gleicht einem Gefängnis, will ich behaupten.

Jeder hat eine andere Verarbeitungsweise und benötigt unterschiedlich Zeit, den Tod nahe stehender Angehöriger zu verarbeiten. Dafür gibt’s kein Limit! Der Abend über Gefühle und Gesundheit war auch eine Art Verarbeitungsmöglichkeit für mich. Es ist nicht einfach, denn in unserer Gesellschaft ist der Tod kein offenes Buch. Oft wird darüber geschwiegen, die Menschen sind peinlich berührt und wissen nicht, wie sie mit den Menschen umgehen sollen. Mitgefühl ist die Lösung. EMPATHIE zeigen ist wichtiger als alles andere. Freunde oder Familie sind wichtig. Mir war meine Freundin die wichtigste Person in dieser Zeit. Ein Mann, der damals meinen Weg begleitete, konnte dies nicht. Mitleid ja, aber Mitgefühl? Fehlanzeige.

Heute weiß ich, dass mich in diesen schweren Zeiten außer meiner Freundin, und beim Tod meiner Großmutter meine Mutter, niemand wirklich begleitet hat. Inzwischen kann ich aber auch mit meinen Kindern übers Sterben reden. Sie wissen, was es bedeutet und sollen nicht schockiert darüber sein, wenn ich einmal nicht mehr da bin. Es soll ihnen klar sein, dass das Leben ein Kommen und Gehen ist. Verlässt jemand die Erde, wird auch wieder ein Kind geboren. Ich wünsche meinen Kindern kein Trauma nach oder durch meinen Tod. Sie sollen nicht dadurch gehemmt werden, in ihrem Leben nur  zu funktionieren, sondern zu sich und ihren Gefühlen stehen, sich behaupten.

Niemand kann nachvollziehen, wie es ist, wenn eine noch nicht einmal Dreijährige fragt: “Mama, musst du jetzt auch sterben, oder wann stirbst du?” Wo doch dieses kleine Wesen noch nicht einmal weiß, was STERBEN bedeutet. Aber sie fühlte wohl, dass es ein großer Verlust für mich war. Sie entwickelte eine Art Verlustangst, die ich ihr nehmen musste, und dabei war ich selbst noch am Trauern. In dieser Zeit war ich oft krank; Magen-Darm-Infekte und Nasennebenhöhlenentzündungen wechselten sich ab.

Immer wieder erklärte ich ihr, dass die Oma sehr krank war und deshalb gestorben ist. Irgendwann legte sich das. Doch selbst bei aktuellen Themen oder auch in Nepal, immer wieder reden wir über den Tod. Wir halten die Omi im Herzen, wenn ich auch meist allein zum Grab gehe. Das Gute daran ist, der Tod ist kein Tabu-Thema mehr in unserer Familie. Ein Friedhof ist für mich ein Ort der Ruhe in dieser rastlosen Zeit, und da kann ich meinen Gedanken nachhängen und Energie tanken.

Pashupatinath

In diesem Zusammenhang erinnere ich mich an die Bestattungszeremonien in Pashupatinath in Nepal, die wir zufällig sehen konnten. Die Menschen verabschieden sich, waschen, betrauern, verbrennen den Toten und mit der Übergabe der Asche an den Fluss lassen sie gemeinsam los und das in der Öffentlichkeit. Das ist ein schöner Ritus. Damit kann man seinen Gefühlen freien Lauf lassen und muss sie nicht verbergen. Eine Frau weinte so bitterlich, dass es mir sehr nahe ging, und ich fast mitweinen musste. Und das, obwohl ich den Toten nicht kannte. Aber ihr Schmerz war so lautstark bis ans andere Flussufer des Bagmati zu hören, dass niemand dem entkommen konnte. Damit zeigt sich wahrscheinlich auch, wer wie viel Mitgefühl hat. Meinen Kindern hatte ich vorher schon gesagt: „Das schlimmste, was passieren kann, ist, dass ich mitweine.“ Es wäre letztlich Anteilnahme an der Trauer. 

Wir erkranken aufgrund äußerer Einflüsse und im Zusammenhang mit Ernährung, Schlaf, Bewegung und wie aktiv nehmen wir uns selbst wahr. Glück ist unser eigener Verdienst, nicht der anderer. Wir müssen nur die kleinen Dinge im Leben, im Alltag wieder erkennen und zu schätzen wissen. Glück kann man eben nicht kaufen!

Im Umkehrschluss bedeutet dies für mich: Wir können uns auch selbst heilen durch Selbstachtung, ausreichend Bewegung und Schlaf, gesunde Ernährung sowie der Verarbeitung und Zulassung von Gefühlen die durch äußere Umstände auf unser Gemüt einwirken. Jeder kann seinen Weg finden. Davon bin ich überzeugt, in dem er verschiedene Methoden ausprobiert. Meditation ist ein unumgänglicher Teil in diesem Zusammenspiel von Hormonen, Reizen, Gedanken, die uns ständig beeinflussen.

Letztlich war diese Buchvorstellung ein weiterer Schritt auf meinem Weg zu meiner Selbsterkenntnis und für mich Bestätigung, dass noch einige Herausforderungen und Abenteuer warten und manchmal eben Umwege notwendig sind.

Ein wunderbares Zitat von Prof. Hempel ist:

„Wir leben doch nicht, um uns unglücklich zu machen.“

©Maren Martini

Dresden, 09. Dezember 2019