Wie unterstütze ich meine betagten Verwandten im Alltag


Wie kann ich aus der Ferne meine Verwandten unterstützen?

Eine Herausforderung, der ich mich stellen musste.

 

Das Leben ist wie das Meer – großartig, weit und voller Wunder und Herausforderungen.

Maren Martini

 


Wir leben heutzutage getrennt von der Familie, weit entfernt von der Heimat. Bis Anfang 2021 war klar, ich werde meine Wohnung und meine Heimat niemals verlassen.

Als ich dann Ende 2021 beschloss, aus meiner Heimat Dresden nach Rostock zu ziehen, ahnte ich nicht, was auf mich zukommen sollte. Ich nahm die Herausforderung dankbar an, denn ich folgte meinem Herzen und meiner Intuition. Doch wenn es einen in die Ferne zieht, bedeutet es nicht, dass man alles hinter sich lassen kann. Immer wieder bin ich in die Heimat gefahren. Dennoch wurde es zunehmend anstrengender. Am Ende kam ich nur noch wegen Terminen und meiner 87jährigen Tante, die allein lebt. Zeit, um Kraft zu tanken oder ans Familiengrab zu gehen oder alte Freunde zu treffen, blieb nicht. 


Deshalb gilt als erstes:

1. Das Bewusstmachen, dass an erster Stelle immer der Wille des Menschen steht.
2. Als Nichte/Neffe, wenn die Tante, der Onkel alleinstehend und ohne Kinder sind, ist man gesetzlicher Erbe.
3. Zunächst sollte eine Vorsorgevollmacht erstellt werden. In dieser wird alles festgehalten, was die Vorsorge betrifft: Gesundheit, Finanzen, Postvollmacht, Vertretung bei Behörden etc.
4. Ehrenamtliche Alltagsbetreuer/-helfer können als Unterstützung der älteren Menschen engagiert werden. Ich habe die Volkssolidarität in Dresden gewählt. Die zuständige Bearbeiterin war sehr entgegenkommend und mit ihrer Hilfe habe ich innerhalb einer Woche eine Begleiterin für meine Tante gefunden. Danke dafür.
5. Pflegegrad beantragen, denn selbst bei Pflegegrad 1 bekommt man wenigstens finanzielle Entlastungsbeiträge von der Pflegekasse, die gleichzeitig die Krankenkasse ist.
6. Wurde ein Pflegegrad durch Begutachtung des MdK festgestellt, kann Neffe/Nichte auch als Nachbarschaftshelfer unterstützend zur Seite stehen, damit die Tante/der Onkel noch in ihrem Umfeld bleiben können.
Denn wie sagt man so schön: Einen alten Baum verpflanzt man nicht.


Meine Erfahrungen mit meiner alleinstehenden 87jährigen Tante sind, dass ich mich NICHT aufopfern muss und mir Unterstützung von außen suchen kann. Es gibt genügend Möglichkeiten, ohne seine Verwandten gleich ins Heim abzuschieben.

 

Kürzlich besuchte ich meine Tante. Sie hatte bis 2019 einen Freund in Berlin, Karl Ernst Mietz, mit dem sie zwei- bis dreimal im Jahr verreiste. Dann verstarb er plötzlich und sie stand allein da. Dazu möchte ich ergänzen, dass sie weder Kinder hat, noch sich groß um mich, meinen Bruder oder meine Kinder kümmerte. Selbst an Geburtstagen bekamen wir schon seit Jahrzehnten keine Geschenke mehr. Aber ich bin kein nachtragender Mensch. Sie erinnerte mich immer ein wenig an Ebenezer Scrooge in der Weihnachtsgeschichte.



Die Nachbarpaar im Haus hatte ihr bisher den Einkauf mitgebracht. Dass dies jetzt nicht mehr möglich ist, aufgrund persönlicher Angelegenheiten, ist meiner Tante nicht bewusst. Unschön war der Weg, den sie gegangen sind: Sie hatten in ihrer Hilflosigkeit ans Betreuungsgericht geschrieben, statt mich zu informieren. Ich wusste, meine Tante war im Sommer beim Einkaufen, als es so heiß war, umgefallen. Sie war dehydriert. Alle Menschen hatte diese Hitze zugesetzt. Dennoch war sie danach unter Beobachtung im Krankenhaus und bei ihrem Hausarzt. Wenn es akut gewesen wäre, hätten die sie doch nicht nach Hause entlassen. 

 

Aber ich habe festgestellt, dass meine Tante kaum noch vor die Tür geht, auch wenn sie sagt, dass sie alles alleine kann. Dies ist ein Phänomen alter Menschen, dass sie Hilfe nicht annehmen wollen. Sie wollen dies nicht wahrhaben, dass es nicht mehr geht. 
Wir waren für sie einkaufen. Immer wenn ich bei ihr bin, schau ich ihre Post durch, ob etwas wichtiges darunter ist. Das Telefon war beim letzten Mal wieder tot. Das ist uns erst mit ein paar Tests aufgefallen, da immer ein Freizeichen kam. Dieses Problem hatten wir bereits des öfteren, was bei einer älteren Dame sehr schwierig ist.


Ein Telefon, was über einen Router angeschlossen ist, um damit telefonieren zu können, ist für ältere Menschen nicht verständlich. Meine Tante ist nicht technikaffin. Also bewältige ich dies. Ich bin zum Telekomshop, habe das Telefon prüfen lassen und am Ende war es die Leitung. Dies hätte meine Tante also niemals beheben lassen können. Der nette Bearbeiter im Shop beauftagte den Service zur Prüfung der Leitung. Gut, dass ich mit meinem Handy vor Ort war. Ich bekam eine SMS und E-Mail, dass der Auftrag ausgelöst worden war. Den genauen Ablauf des Telefonats und die Lösung des Problems hier wieder zu geben, würde Raum einnehmen. Mit viel Geduld und beschafftem Wissen schafften wir es, dass das Telefon wieder empfangsbereit war.
Ehrlich, danach war mein erster Gedanke: Ich schaffe ihr ein Mobiltelefon mit CallyaCard an, wenn kein Verlass auf den Festnetzanschluss ist. Das war so eine schwere Geburt und hat mich viel Zeit und Energie gekostet. Vor allem war es nicht das erste Mal. Wie, um alles in der Welt, soll ich das denn aus der Ferne feststellen, wenn ein Freizeichen ertönt?

2021 haben wir bereits eine Vorsorgevollmacht erstellt, damit wir im Fall, dass meine Tante gesundheitlich nicht mehr in der Lage ist, Entscheidungen zu treffen, diese durch mich in Vorabbstimmung mit ihr getroffen werden können. Diese Vorsorgevollmacht kann online im Zentralen Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer registriert werden. Damit sehen Behörden und Ärzte bspw., dass eine Vorsorgevollmacht vorliegt.

Inzwischen habe ich eine nette Alltagsbegleiterin von der Volkssolidarität zur Unterstützung meiner Tante gefunden und einen Pflegeantrag gestellt. Denn als ich das letzte Mal bei ihr war, war der Kühlschrank fast leer.

Sie möchte niemanden Fremdes in ihrem Umfeld. Das kann ich verstehen. Dennoch ist Vertrauen besser als Misstrauen. Wir alle möchten, dass es ihr gut geht. Jetzt hoffe ich, dass sie die Einkaufshilfe durch die Alltagsbegleiterin dankbar annimmt und sich daran gewöhnt, und ich mich wieder entspannen kann. Es hat mich etliche schlaflose Nächte gekostet, dies alles in ihrem Sinne zu regeln.

 

Und uns steht bald ein Umzug in die Blumenstadt Tessin bevor. Wir freuen uns sehr darauf, denn wir haben eine bezahlbare, schöne erste gemeinsame Wohnung gefunden.

Das Leben ist voller Herausforderungen und Überraschungen und das macht das Leben aus. Wir nehmen diese neue Herausforderung dankbar an.

Namasté!!

 

 

Maren Martini, Rostock, 27. Februar 2023