Das Geschäft mit dem Alter und der Pflege


Seniorenpflegeeinrichtung Maria und Marta Haus Gnoien, sehr schöne Anlage, November 2023

 

Ist unsere Gesellschaft eine Gesellschaft des Alters und der Pflege oder werden wir wieder menschlicher und erinnern uns an die Verbundenheit zur Familie?

 

 

Meine betagte Tante von 88 Jahren, von der ich vor zwei Jahren eine Vorsorgevollmacht mit vielen Erklärungen und Überzeugungskraft erhalten habe, muss jetzt ins Pflegeheim. Ich wollte, dass ihr eine vom Staat angeordnete Betreuung erspart bliebe. Es ist verständlich, dass bestimmte Jahrgänge sich schwer tun, denn so etwas gab es in ihren jungen Jahren nicht. Da war die Familie füreinander da. Der Onkel aus Bad Pyrmont, der Opa  mütterlicherseits in München und der väterlicherseits lebte in Dresden.

Ende November erhielt ich einen Anruf vom Sozialdienst einer Klinik in Dresden. Sie teilten mir mit, dass meine Tante bei Ihnen betreut wird. Sie rückversicherten sich, dass ich eine Vorsorgevollmacht habe, die ich Ihnen aus der Ferne per E-Mail übersandte. 

Ebenfalls rief mich die Ärztin an und informierte mich über den gesundheitlichen Zustand. Sie teilte mir mit, dass bei meiner Tante Demenz festgestellt wurde und sie so nicht mehr nach Hause entlassen würde. So beschlossen wir, dass wir für sie ein Pflegeheim suchen würden. Mit Demenz ist ein Mensch nicht mehr geschäftsfähig. Es ist ein schleichender Prozess und wird zunehmend schlimmer. Anfangs kommen die Patienten in ihrem Umfeld noch zurecht, später nicht mehr und jetzt hat sich dies wohl bei meiner Tante akut verschlechtert. 

Zunächst sollte sie nach dem Krankenhausaufenthalt in der Kurzzeitpflege untergebracht werden. Ich hatte knapp zwei Wochen Zeit. Die Zeit drängte also. Spontan beschlossen wir, sie hier nach Tessin zu holen. Die Klinik war einverstanden, da sie transportfähig war. Ich dachte über alternative Lösungen nach. Wenn wir ein Haus hätten, würde ich meine Tante aufnehmen. Aber unsere Räumlichkeiten sind nicht für Pflegebedürftige geeignet. 

 

 

Voraussetzung für eine Heimaufnahme ist Pflegestufe 2

Gut war, dass sie bereits Pflegestufe 2 hatte. Denn dies öffnet die Tür zum Pflegeheim. Das war mir bisher nicht bekannt. Die Pflegestufe hatte ich bereits Anfang des Jahres bei der Pflegekasse, was auch die Krankenkasse ist, beantragt. Dafür wird bei der Pflegekasse eine formlose E-Mail oder gleich der Antrag gestellt und der Medizinische Dienst der Krankenkassen schickt einen Gutachter zum Pflegebedürftigen. Die Begutachtung ist allein möglich oder mit einer Begleitperson. Dies kann auch ein Nachbarschaftshelfer oder Alltagsbegleiter sein. Da meine Tante jegliche Unterstützung abgelehnt hatte, wurde sie allein begutachtet und erhielt Pflegestufe 2.

Dazu finden Sie auch Hinweise auf den Seiten des Bundesgesundheitsministeriums.

 

Kurzzeitpflege als Übergangslösung

Ich kümmerte mich um eine Kurzzeitpflege und einen Pflegeheimplatz in Tessin. Die Klinik stellte den Antrag bei der Kasse. Es gestaltete sich schwierig. Die von mir erwählte Kurzzeitpflege war keine von der Pflegekasse anerkannte. Also wollte die Kasse die Kosten nicht übernehmen. 

Hinweis für alle:

Beachten Sie bei der Suche nach einer Kurzzeitpflege: Fragen Sie nach, ob diese eine von der Pflegekasse anerkannte ist. 

 

„Die Leistung der Pflegeversicherung für die Kurzzeitpflege unterscheidet sich betragsmäßig nicht nach Pflegegraden, sondern steht allen Pflegebedürftigen der Pflegegrade 2 bis 5 in gleicher Höhe zur Verfügung. Die Höhe der Leistung beträgt bis zu 1.774 Euro für bis zu acht Wochen pro Kalenderjahr. Pflegebedürftige Personen mit dem Pflegegrad 1 können den Entlastungsbetrag in Höhe von bis zu 125 Euro pro Monat, also bis zu 1.500 Euro pro Jahr, einsetzen, um Leistungen der Kurzzeitpflege in Anspruch zu nehmen. Auch Pflegebedürftige der Pflegegrade 2 bis 5 können für Leistungen der Kurzzeitpflege zusätzlich den Entlastungsbetrag nutzen.“

 

Transportkosten von der Klinik zum Heim oder Kurzzeitpflege

 

Den Transport von DD nach Tessin wollte die Kasse ebenfalls nicht übernehmen. Das hätten wir auch selbst übernommen, Kostenvoranschlag von 1.500€. Doch das Transportunternehmen hatte so kurzfristig keine Kapazitäten. Die Pflege-/Krankenkasse übernimmt Transportkosten nur von der Klinik bis zur nächstgelegenen Kurzzeitpflege, ob da ein Platz frei ist oder nicht. 

 

 

Abfrage von Pflegeheimplätzen

 

Zunächst fragte ich über den Pflegelotsen Pflegeheimplätze ab. Auch da gibt es unzählige Seiten, die Abfragen durchführen. Zwischendurch telefonierte ich mit dem Sozialdienst, der Kranken-/Pflegekasse und der Akut-Geriatrischen Station, wo sie untergebracht war. 

In unserer Umgebung gab es nur Wartelisten für Pflegeheimplätze. In Rostock schrieb mir ein Heim zurück, dass es drei bis vier Monate Wartezeiten gibt.  Rostock klammerte ich damit komplett aus. So lange konnten wir nicht warten und was wäre, wenn wir keinen Platz bekämen?

Ich füllte -zig Formulare aus und schickte diese an die Pflegeheime. Ich hatte sehr freundliche Bearbeiterinnen am Telefon. 

 

 

Beratung beim Pflegestützpunkt

Ich habe mit dem Pflegestützpunkt Bad Doberan telefoniert und sie haben mir gute Tipps gebeten. 

Pflegeleistungen zum Nachschlagen.

 

 

Neuorientierung von Tessin nach Dresden

Doch von einem Tag auf den nächsten wurde alles komplizierter. Meine Tante bekam Corona im Krankenhaus. Bisher war sie von Corona verschont geblieben. Ein Glück für sie, dass sie keine Symptome hatte, sondern sich “nur” schwach fühlte. 

Damit Kurzzeitpflege ade. Die Zeit im Krankenhaus verlängerte sich, gab mir aber mehr Zeit für die Suche nach einem Heimplatz. Ich hoffte, dass sie so die Kurzzeitpflege umgehen könnte. 

Da in der Kürze der Zeit kein Platz in der Umgebung von Tessin zu finden war, entschieden wir, dass wir uns nach Plätzen für Kurzzeitpflege und Pflege in Dresden umschauen. In Abstimmung mit dem Sozialdienst der Klinik rief ich einige Kurzzeitpflege-Dienste an. Doch leider hatten diese keine Kapazitäten. Erst der Sozialdienst selbst konnte etwas erreichen. Ich schrieb sechs Pflegeheime in Dresden an, die mein Bruder mir heraussuchen ließ und drei davon antworteten.

 

 

Die Willkür eines Pflegeheims

Ein Pflegeheim hatte Kapazitäten und wir waren in der engeren Auswahl. Ich hatte alle Fragen beantwortet und Unterlagen hingeschickt. Da bekam ich einen unfreundlichen Anruf, dass sie meine Tante leider nicht aufnehmen können, da in der Vorsorgevollmacht der “Abschluss von Betreuungsverträgen” ausgeschlossen wird. Der vorwurfsvolle Ton machte die Musik: „…und das hätten Sie doch wissen müssen.“ Allerdings hatte ich in der Situation ganz andere Dinge, die meine Aufmerksamkeit verlangten und in erster Linie war dies, dass meine Tante gut unterkommt und es ihr soweit gut geht. Doch es zählt bei einer Vorsorgevollmacht der Wunsch und Wille des Vollmachtgebers, und dem hatte ich entsprochen.

Obwohl der Sozialdienst der Klinik involviert war und dieser einen „Eilantrag beim Betreuungsgerichtstellte, dauerte es der Bearbeiterin zu lange. Sie vergab den Heimplatz weiter. Das war ein herber Rückschlag für uns.

Das Betreuungsgericht hat inzwischen festgestellt, dass es dennoch möglich ist, einen Heimvertrag abzuschließen, da ich die Wohnung kündigen sowie den Aufenthalt meiner Tante bestimmen kann. Es war also eine willkürliche Entscheidung, dass meine Tante in diesem Heim nicht untergebracht werden sollte. Inzwischen bin ich froh, dass es so ist. Denn dies sind nicht die Voraussetzungen, die ich mir für meine 88jährige Tante wünsche. Bisher hat auch kein Heim sich an diesem Punkt gestoßen. Denn in der Rückschau wollte dieses Pflegeheim Auskünfte über die üblichen hinaus bis zur Finanzierung und Medikation, obwohl nicht sicher war, ob sie meine Tante aufnehmen. Meines Erachtens ist das nicht zulässig.

 

 

Finanzierung von Pflegeheimplätzen

 

Bei Pflegestufe 2 zahlt die Pflegekasse 770€ und dennoch bleibt ein Eigenanteil von bis zu 2.900€ pro Monat bei dem Pflegebedürftigen. Da kann sich jeder selbst ausrechnen, dass es ohne Vermögen oder Sozialamt unmöglich ist, dies zu finanzieren. Hinzu kommen noch private Ausgaben für evtl. Ausflüge, Friseur, Kosmetika, Bekleidung etc.

Ich kann daher allen Menschen raten: Wir müssen unseren Familien und Freunden wieder sozialer gegenüber werden. Wir wurden im Laufe der Geschichte auseinander gerissen. Kriege und die Mauer haben so viele Familien zerrissen und zerstört. Meine Großeltern konnten in Frieden zuhause einschlafen, weil jemand bei ihnen war. 

Meine Tante hat mir immer erzählt, dass die Oma eine Stütze zuhause hatte und doch wollte sie selber keine Hilfe annehmen. Sie wollte alles alleine machen bis es jetzt nicht mehr geht. 

 

 

Bürokratiewald und Macht

 

Obwohl ich mit Vorsorgevollmacht an verschiedene Stellen geschrieben hatte, dass ich in Vollmacht meiner Tante bitte, die Post an mich zu übersenden, stoße ich überall an Grenzen. Es wird nicht auf meine E-Mails geantwortet, sonder per Brief meine betagte Tante um die Vorsorgevollmacht gebeten. Warum wird sie nicht von mir verlangt? Da frage ich mich, welche unfähigen Angestellten da sitzen und überhaupt nicht mitdenken.

Im Bürokratiewald Deutschland verschwinden wir und kommen nicht voran. Abgesehen davon ist es ein Dilemma, dass Post des Vermieters weiterhin an meine Tante geschickt wurde. In solchen Situationen schüttel ich nur noch verständnislos den Kopf. Da sind Angestellte in Banken, die trotz Post-, Banken- und Depotvollmacht, meiner Tante immer noch Post zuschicken. Dabei öffnete sie diese – bekannterweise – schon länger nicht mehr. 

Ich als nächste Angehörige meiner Tante möchte einfach nur, dass sie gut versorgt ist. Doch das ist, selbst mit Vorsorgevollmacht und aus der Ferne nicht so einfach. Es ist nicht abhängig von Geld, sondern den Entscheidungen, die andere treffen. Einzelne Personen, die von ihrem Posten aus ihre “Macht” ausspielen. 

Bankangestellte, die meiner über 80jährigen Tante Bausparverträge, Depots, Immobilienfonds und verschiedene Versicherungen, Lose etc. aufgeschwatzt haben, die ich jetzt in meiner Unkenntnis und in der Kürze der Zeit kündigen, auflösen bzw. abstoßen muss, damit meine Tante von dem mühsam ersparten Geld noch etwas hat. Dieser Berater, der alle Vollmachten hatte und die Vorsorgevollmacht im Original gesehen hat, wollte jetzt noch eine beglaubigte Variante. Ich teilte ihm mit, dass ich dafür gerade keine Kapazitäten habe. Für die Post habe ich inzwischen einen Nachsendeauftrag eingerichtet. 

Pflegeheime und sogar Hausmeister, die versuchen, ihre Rolle auszunutzen. Obwohl ich nur versuche, alles für meine Tante gut zu regeln, damit sie in Ruhe alt werden kann, werden mir überall Steine in den Weg gelegt.

 

 

Adventszeit 2023

 

 

Am Schlammsee-Tessin-November 2023

 

 

Die Adventszeit soll eine Zeit der Ruhe, Besinnung und Festlichkeit, Vorfreude auf Weihnachten sein.

Dies alles ist, kurz vor Weihnachten und dem Jahreswechsel, kein leichtes Unterfangen. Zwischenzeitlich haben wir meine Tante im Krankenhaus besucht und uns um ihre Wohnung gekümmert. Diese werden wir zur Beräumung und Rückgabe an eine Firma übergeben.

Leider hat meine Tante, da sie als Kind im Krieg geboren und aufgewachsen ist, einen Hang, nichts wegwerfen zu können. So fiel mir Kleidung meiner Großmutter, Mutti (beide seit 20 Jahren verstorben) und älter unter die Finger. Vier Kleiderschränke voller Sachen, die keiner mehr trägt. Ein Wochenende in der Wohnung war wie eine Zeitreise. Es war anstrengend und erschreckend. Mit Wäsche waschen und Wohnung putzen, war unser Wochenende ausgefüllt. Völlig erschöpft kamen wir nach Hause zurück.

Verträge müssen geschlossen werden, was Dank digitaler Medien auf kurzem Wege möglich ist. Anträge müssen gestellt werden, die mir Dank der Unterstützung des Klinik-Sozialdienstes teilweise abgenommen wurden. 

Doch vor allem müssen noch Kleidung und persönliche Dinge sortiert, herausgesucht und und fürs Heim vorbereitet werden. Ich wünsche mir nur, dass meine Tante zu Weihnachten friedlich in einem Seniorenheim untergebracht ist und alle zur Ruhe kommen und Kraft sammeln können.  

Wir können daraus lernen, es besser zu machen. Bewusster unser Leben zu führen. Weniger zu haben, ist manchmal mehr und Geld ist nicht alles im Leben. 

Seit unserer Rückkehr zwingt mich ein fieberhafter Atemwegsinfekt zu Ruhe und Gelassenheit. Dabei wartet noch die Wohnungsberäumung auf mich/uns. Gott sei Dank habe ich meinen geliebten Partner, der mich dabei unterstützt und an meiner Seite ist. Das schweißt uns noch mehr zusammen und stärkt uns. Ich bin dankbar, dass ich das nicht alleine durchstehen muss. Denn ehrlich, mit so vielen Hindernissen hatte ich nicht gerechnet. 

 

 

Welche alternativen Möglichkeiten gibt es, nicht allein alt zu werden?

 

Ich kannte ältere Menschen (die Freundin meiner Oma, ihre Schwester, meine Großcousine), die sich bereits zu Lebzeiten bewusst im Seniorenheim anmeldeten. Früher hat mich die Aussage der Freundin meiner Oma irritiert, wenn sie sagte, sie spare für ihre Beerdigung. Mein Vater wurde auch zuhause vom Pflegedienst versorgt. Sie haben sich alle bewusst dafür entschieden. Damals war ich zu jung, um das zu verstehen. Heute weiß ich, warum es so wichtig ist. Es ist für die Angehörigen eine große Last, diese Entscheidungen vor allem in kurzer Zeit zu treffen.

Es gibt die Möglichkeit, einer 24-Std- Pflegekraft, die dann zuhause wohnt. Dennoch müssen die wohnlichen Voraussetzungen gegeben sein. Alternativ gibt es Wohngruppen und Wohngemeinschaften. Jeder darf sich damit auseinandersetzen, was für ihn bzw für den betreffenden Menschen stimmig ist. 

Vorsorge bedeutet demzufolge auch, dass sich jeder, ob jung oder alt, darüber Gedanken machen sollte:

Was wird, wenn ich nicht mehr alleine zuhause zurecht komme?

Entscheide ich mich bewusst dafür, in ein Heim, “Betreuten Wohnen”, eine WG zu ziehen oder überlasse ich diese Entscheidung anderen?

Vor allem müssen mehr Wohnungen bezahlbar bleiben und seniorengerecht gebaut werden. Die Seniorenheime dürfen ebenfalls finanziell im Rahmen bleiben. Die Gier nach dem Geld ist auch hier deutlich spürbar und das ist nicht sozial und gibt mir sehr zu denken. Ich wünsche mir soziale, menschliche Verhältnisse. Warum werden denn die Pflege-/Seniorenheime nicht finanziell unterstützt, anstatt dass die Menschen Sozialhilfe in Anspruch nehmen müssen? 

Nicht allein im Alter zu sein, sollte unser Ziel sein. Lebt in Eintracht miteinander und vielleicht in einem Haus mit mehreren Wohnungen oder anderen Wohnformen. Vielleicht ist ein Mehrgenerationenhaus doch die Lösung, die wir von anderen Generationen und Ländern abschauen und übernehmen dürfen. Es ist auf jeden Fall menschlicher als überteuerte Pflegeheime und Wohnungen.

 

 

Allen Lesern meiner Beiträge wünsche ich eine besinnliche, nachdenkliche, anregende, lichtvolle und friedliche Adventszeit mit guten Wünschen für die kommende Zeit in Dankbarkeit und Verbundenheit. 

 

Blumenstadt Tessin, Ausblick auf den Schnee bedeckten Schlammteich im November 2023

 

 

Informationen zu Demenz

 

 

 

Maren Martini 

Tessin, 9. Dezember 2023 

 

Was noch ansteht:

  • Telefon abmelden, kündigen
  • Bank – neue Adresse mitteilen mit Meldebescheinigung
  • Strom kündigen 
  • Rente, Adresse ändern
  • Rundfunkgebühren abmelden